Eine Grassroots-Initiative gegen das Vergessen
Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. Im Sinne dieses Verantwortungsethos wurde Anfang dieses Jahres eine Gedenkstätte an der Ostseite der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in München-Allach errichtet, die in Gedenken an die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs und der Gewalt in der katholischen Kirche mahnt.
Da Berichte über die menschlichen Abgründe in den christlichen Institutionen neulich erst die evangelischen Kirchen erschütterten, bleibt die Thematik auch für den politischen Betrieb hochaktuell, um die juristische Verfolgung durch eine Vernetzung zivilgesellschaftlicher Initiativen zu unterstützen und damit Institutionen zur verbesserten Prävention zukünftiger Fälle zu etablieren. Gerade weil eine gelungene Prävention gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt in gesellschaftlichen Organisationen beim wachsamen Auge sowie dem verantwortungsvollen Bewusstsein der aktiven Mitglieder anfängt, ist ein weiteres politisches Vorgehen auf die aktive Vernetzung mit der betroffenen Zivilgesellschaft angewiesen.
Die Landtagsabgeordnete und religionspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Katja Weitzel sowie die Vorsitzende des Forums Kirche und SPD e.V., Diana Stachowitz, MdL a.D. besuchten am 23.07.2024 die dortige Pfarrgemeinde, um mehr über die Initiative zu erfahren.
Das Mahnmal: Ein Symbol für die zerstörten Seelen
Eine mit einem Kreuz verzierte Tür verschließt einen Käfig, in dem zahlreiche kaputte Kinderspielzeuge zu finden sind. Die hier veranschaulichte Symbolik soll eine erdrückende Lebensrealität widerspiegeln: Sexueller Missbrauch sowie Gewalt an Kindern, die gerade im Kontext der kirchlichen Skandale oft mit spirituellem Missbrauch einhergehen, sind zutiefst traumatisierende und lebensbestimmende Erlebnisse für die betroffenen Seelen. Für die Projektplanung des Mahnmals war es wichtig, eine unmittelbare Nähe zur Leidenserfahrung zu schaffen, so die Erklärung der Gemeindemitglieder. Der beauftragte Künstler wurde maßgeblich durch Gespräche mit Betroffenenverbänden inspiriert, die aktiv dazu bewegt wurden, an dem örtlichen Projekt in Allach mitzuwirken und damit ein direktes Sprachrohr zur Konfrontation der Bevölkerung zu erhalten. Ziel dieser Konfrontation ist es jedoch nicht, einen Opferdiskurs zu forcieren und damit eine besondere Stellung zu erringen, sondern eine allgemeine Aufmerksamkeit für die Allgegenwärtigkeit dieser Gewalt zu schaffen.
Nicht verantwortlich, aber durchaus betroffen
Interessant ist hierbei die Intention der Pfarrgemeinde in Allach, die sie dazu bewegte, ein solches Projekt zu initiieren. Obwohl in Allach selbst kein öffentlicher Fall von sexuellem Missbrauch in der kirchlichen Gemeinde bekannt ist, entschied man sich im Rahmen der Initiative "Wir gegen das Vergessen" Spenden zu sammeln und ein aktives Zeichen für innerkirchliche Solidarität mit den Geschädigten zu setzen. Es geht der Gemeinde damit um eine eindeutige Positionierung zu den Skandalen und zugleich einer über Jahre von Seiten der kirchlichen Autoritären misslungene Haltung zur Aufarbeitung. Daher auch der bewusste Umgang mit der Finanzierung des Projekts: Die Mittel für das Mahnmal wurden ausschließlich aus Spenden der Pfarrgemeinde aufgebracht, um bewusst zu signalisieren, dass sich die katholische Kirche als Autorität nicht selbst ein Mahnmal für ihre eigenen Vergehen setzen kann.
Einen offenen Diskurs fördern
Wie relevant diese Thematik über die Skandale der christlichen Kirche hinaus für den breiten gesellschaftlichen Diskurs ist, zeigte sich in der anschließenden offenen Gesprächsrunde. Neben dem dringenden Verweis auf die Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche wurde auf die erschreckenden Statistiken zu sexuellen Missbrauchsfällen in anderen Vereinen hingewiesen. Die Diskussion betonte die Notwendigkeit weiterer politischer Maßnahmen zur Unterstützung der Aufklärungs- und Präventionsbemühungen, die sich nicht nur auf die Schaffung von Anlaufstellen für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt beschränken dürfen. Ein Vorbild für Bayern, so war man sich einig, könnte die Institutionalisierung einer unabhängigen Missbrauchsbeauftragten wie in Nordrhein-Westfalen sein, welche die Bemühungen der Bundesstelle auf Landesebene unterstützt.
Die SPD-Landtagsabgeordnete Katja Weitzel zeigt eine klare Haltung: „Der Besuch des Mahnmals in Allach sowie der anschließende Diskurs waren sehr eindrücklich. Ich werde die Ergebnisse in den Landtag tragen und mich als religionspolitische Sprecherin weiterhin für die Opfer und deren Familien stark machen. Denn wir müssen auch denjenigen eine Stimme geben, die heute noch aus Scham, Angst oder Trauma im Schweigen leiden.“